Die Bauern düngen zu viel und zerstören so das Grundwasser. Die Meinung der Städter ist ziemlich klar. Weniger klar sind ihnen die komplizierten Zusammenhänge auf einem Ackerboden. Boden ist nicht gleich Boden, zu viel düngen ist Quatsch. Ich stehe mit Landwirt Wilhelm Gebken auf einem Acker im Emsland.
Wilhelm Gebken: Für mich ist jeder Acker anders, es gibt wahnsinnig große Unterschiede. Da, wo wir jetzt stehen, ist die Geest. Die Geest ist ein leichter Sandboden, der durch Sandablagerungen entstand und teilweise hingeweht wurde. Geestböden sind grobkörnig. Von Natur aus kann dieser Boden nicht sehr viel Wasser halten und damit auch wenig Nährstoffe. Mit der Besiedlung durch die Menschen sind die ursprünglichen Wälder vor allem aufgrund der Schafhaltung verschwunden. Das war die angeblich so gute Hudewirtschaft, die heute als etwas Tolles propagiert wird, was sie aber gar nicht ist. Die Wälder wurden zerstört, die Bäume entweder abgeholzt oder abgebrannt. Um die Stubben herum wurden die Schafe getrieben, die durch das Fressen der Pflanzen natürlich auch die Nährstoffe weggenommen haben.
Man kann sagen: Die damalige Zeit war Raubbau an der Natur. Die durch den natürlichen Baumbewuchs entstandene Humusschicht war sehr schnell verschwunden. Es ist über Jahrhunderte nur noch Heide gewachsen; durch die Schafe wurde die Natur noch mehr zurückgedrängt. Durch das Abtragen des Oberbodens für die Düngung der Esche sind hier große Gebiete mit Wanderdünen entstanden.
Erst nach der Neuordnung nach dem Wiener Kongress 1815 konnten Änderungen in Angriff genommen werden. Die gefährlichsten Dünen, die schon ganze Dörfer bedroht hatten, wurden durch Bäume befestigt, Kiefern hauptsächlich, die dort wachsen konnten. Später, als die Landwirte selbständig arbeiten konnten, also nicht mehr auf die Allmende angewiesen waren, und es die Markenteilungen gab und jeder seine eigenen Flächen hatte, haben sie angefangen, ihre eigenen Äcker zu bewirtschaften und konnten immer besser werden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg um etwa 1950 kam der Kunstdünger auf. Damit konnten die Landwirte schon mehr Erträge erwirtschaften. Sie haben auch relativ schnell gemerkt – sie wussten es auch schon vorher -, dass man mit Viehhaltung und mit organischem Dünger die Böden verbessern kann. Das wurde dann ganz gezielt in Angriff genommen.
Aus diesen Wehsanddünen sind heute wunderbare Ackerflächen geworden, und das, was wir hier sehen, ist so ein Boden. Da sieht man im Frühjahr nach dem Pflügen oder nach dem Bestellen, was dort an Krümelstruktur vorhanden ist, an Bodenlebewesen, an Mikro- und Makroorganismen, die den Boden verkleben und die benötigte Krümelstruktur bilden. Das Bodenleben braucht auch Nährstoffe über den organischen Dünger. Wenn die Leute, die vor 100 Jahren hier gelebt haben, die Böden jetzt sehen würden, würden die niemals glauben, was aus diesen Flächen entstanden ist. Aus lebensfeindlichen Sandwüsten sind Paradiese geworden.
Bedroht wird dies jetzt durch die Ausweisung der roten Gebiete. Wir werden gezwungen, 20 Prozent weniger zu düngen, als die Pflanze braucht. Eigentlich benötigt der Boden auch noch zusätzlichen Stickstoff zur Humusbildung. Das müssen wir auch noch gegenrechnen.
Man kann es sich ausrechnen, wenn wir dem Boden 50 kg Stickstoff pro Hektar rauben müssen, bei einem Kohlenstoff-Stickstoff Verhältnis von 20 zu 1. Denn ohne Stickstoff kann man keinen Kohlenstoff binden. Geht nicht. Dann kann man sich ausrechnen: 20 mal 50 sind 1000 Kilo mal drei in CO2. Das sind drei Tonnen pro Hektar und Jahr, die wir aufgrund der Düngeverordnung jedes Jahr in die Luft blasen müssen. Wir werden also dazu gezwungen, CO2 in die Atmosphäre abzulassen.
Wenn man das auf die Fläche Deutschlands überträgt, dann wären wir bei 50 Millionen Tonnen CO2, die die Bundesregierung uns nebenbei aufgebürdet hat.
Holger Douglas: Was bedeutet das für die Langzeitwirkung auf die Böden? Die plündern sie gewissermaßen aus?
Wilhelm Gebken: Richtig. Wir machen genau dasselbe, was schon im Mittelalter gemacht wurde, nämlich Raubbau am Boden. Wir machen dies nicht freiwillig, sondern gezwungenermaßen. Das ist auch im Wesentlichen der Grund, warum wir jetzt mit den Treckern unterwegs sind, demonstrieren und sagen, redet mit uns und nicht über uns, damit wir den Bürgern erklären können, worum es uns eigentlich geht. Wir wollen unseren Boden erhalten.
Die Düngeverordnung sieht vor, dass die Düngemenge Jahr für Jahr weiter reduziert werden soll, jeweils bezogen auf die schon reduzierten Werte des Vorjahres. Was bedeutet das?
Wenn ich jetzt weniger düngen darf, also nicht mehr am Bedarf der Pflanzen orientiert und nicht mehr mit dem Ziel, wie viel kann ich auf diesem Boden ernten, sondern einfach 20 Prozent weniger düngen darf, habe ich auch 20 Prozent weniger Ertrag. Vielleicht nicht im ersten Jahr, aber im zweiten garantiert. Und im dritten Jahr muss ich dann nach diesem reduzierten Ertrag düngen, also wieder 20 Prozent vom bereits reduzierten Ertrag. Das wirkt von Jahr zu Jahr fort, bis ich irgendwann wieder Heide habe, mir Schafe anschaffen muss und kein Getreide oder sonstiges mehr produzieren kann. Derzeit kann ich mit unserem modernen System ca. 30 Mastschweine pro ha ernähren. Im Endstadium des vom Staat erzwungenen Raubbaus wird es nur noch ein halbes Schaf pro Hektar sein.
Das ist also eine Abwärtsspirale, aus der es dann kein Entkommen mehr gibt?
Ein Entkommen gibt es dann nicht mehr. Dann müsste man wieder von vorne anfangen wie damals mit ganz geringen Erträgen und langsamen Aufbauen. Das, was drei Generationen gemacht haben mit dem Erfolg, den man heute sieht, wäre dann weg, und man müsste ganz von vorne wieder anfangen. Unter den heutigen Bedingungen ist das allerdings nicht mehr leistbar, weil wir auch der internationalen Konkurrenz ausgesetzt sind, und mit einer Tonne Ertrag pro Hektar brauche ich erst gar nicht anzufangen. Allein der Mähdrusch kostet mehr, als ich für diese eine Tonne bekomme.
Was passiert dann auf dem Acker, wenn Sie dann nur noch zuschauen? Der verbuscht sehr schnell und verändert sich grundlegend.
Ganz richtig. Wenn ich den Acker sich selbst überlasse, dann wird im ersten Jahr das passieren, was BUND, NABU und Umweltbundesamt gerne möchten, es werden bunte Blumen wachsen. Es werden auch Schmetterlinge kommen, also alles das, was gewünscht ist. Aber nach kurzer Zeit, nach zwei, drei Jahren werden andere Pflanzen kommen, weil sich ja wieder der Humus bildet und sich Humus liebende Arten durchsetzen. Parallel dazu kommen dann die Bäume. Das kann man sofort gut sehen. Auf einer Fläche, die zwei Jahre nicht bewirtschaftet wurde, sieht man dann kleine Birken und kleine Pappeln. In wenigen Jahren ist die Fläche verbuscht.
Das haben schon viele Umweltschützer erlebt, denen man Flächen zur Verfügung gestellt hat und die sich über die Blumen gefreut haben. Nachdem sie aber fünf Jahre nichts gemacht hatten, dann wieder gekommen sind, haben sie gesehen, wie verbuscht die Fläche gewesen ist. Dann haben sie sofort nach Geldern gerufen, damit sie die Büsche wieder entfernen können.
Ich verstehe nicht, warum die Umweltschützer nicht verstehen, dass die natürliche Vegetation hierzulande Wald ist. Die versuchen auf Teufel komm raus uns zu erzählen, die bunten Blumen und diese Insekten, die wir ja während der Zeit des Raubbaues tatsächlich hatten, dass das hier die natürliche Vegetation ist. Das ist sie nicht. Die natürliche Vegetation ist Wald. Wir wissen das auch von den alten Römern, die schon vor 2000 Jahren dokumentiert haben, Germanien – das ist dunkler, feuchter, kalter Wald. Und dort fühlen sich Schmetterlinge nun mal nicht zu Hause. Wenn man sagt, wir wollen Natur haben, müsste man auch so ehrlich sein und sagen, die Natur, das ist der Wald.
Hier im Norden ist das eher ein Eichenwald, im Süden würden sich die Buchen durchsetzen und sonst nicht mehr viel.
Richtig: Eichen und Buchen – natürlich jeweils in Monokultur. Wenn man im Herbst dann durch den Wald geht, sieht man alle 50 Meter eine große, schlanke Buche, und dazwischen sehen Sie nur das Laub und sonst gar nichts. Das ist das Ergebnis nach 50, 60 Jahren, wobei man vorher doch gesagt hat, wir wollen Biodiversität haben. Wenn man die Natur einfach machen läßt, bekomme ich eine Monokultur.
Die Buchen nehmen den anderen Pflanzen durch ihr dichtes Laubdach das Licht weg und lassen am Boden nichts anderes mehr gedeihen.
Das ist die Natur der Natur. Der jeweils Stärkste für diesen Standort setzt sich durch, und das ist in vielen Teilen Deutschlands die Buche, an anderen Stellen ist das die Eiche, und dann gibt es noch sowas wie zum Beispiel den Spreewald, das wären dann vermutlich die Erlen, die sich dort durchsetzen würden.
Es ist also eine großartige kulturelle Leistung gewesen, das Land urbar zu machen und Ackerland aufzubauen. Es ist nicht einfach damit getan, auszusäen und dann zum Beispiel Weizen zu ernten. Natur ist komplizierter?
Die kulturelle Leistung liegt einmal darin, dass der Acker überhaupt bewirtschaftbar wurde, dass ich überhaupt mit dem Pflug drüber fahren kann. Es hat Jahrhunderte gedauert, bis aus Hudewäldern diese wunderbare Ackerkrume entstanden ist, und dass dort auch hauptsächlich der Weizen oder der Roggen wächst und nichts anderes. Das ist ja der Sinn der Sache. Wenn ich zum Beispiel eine fußballfeldgroße Fläche habe, und ich betreibe dort auf diese Weise Landwirtschaft, dann habe ich einen hohen Ertrag. Der liegt in Deutschland im internationalen Vergleich sehr hoch. Das liegt einmal an unseren klimatischen Voraussetzungen, aber auch an der Ausbildung der Landwirte und an dem gesamten Cluster, der mitarbeitet – von der Züchtung der Pflanzen angefangen bis hin zum Maschinenpark. Da kommen viele Dinge zusammen. Es ist schon wahnsinnig viel, was alles zum Erfolg dazugehört.
Wenn ich jetzt aber als Biolandwirt arbeite und nehme zum Beispiel die Unkräuter nicht ernst und betreibe Raubbau am Boden, weil ich falsch dünge, dann nehmen diese Unkräuter dem geschwächten Weizen den Platz weg. Das bedeutet, ich benötige mehr Platz, um denselben Ertrag zu haben. Wenn ich ein Fußballfeld mit Weizen habe und daneben ein Fußballfeld mit natürlichem Wald, und ich stelle meinen Acker auf Bio um, dann bin ich gezwungen, den Wald daneben zu entfernen, um auch dort Bio anzubauen. Ansonsten geht es nicht, ich brauche bis zum fünffachen der Fläche für den gleichen Ertrag.
Als Landwirt sind Sie ein selbständiger Unternehmer, abhängig vom wirtschaftlichen Gedeihen und Wohlergehen ihres Betriebes. Das wiederum hängt ganz entscheidend davon ab, welche Sorte Sie aus zum Anbauen auswählen. Wie gehen Sie vor?
Wenn Sie mich jetzt fragen würden, was ich im Nachbardorf anbauen würde, dann würde ich Ihnen sagen: Das weiß ich nicht! Das kann ich nicht beurteilen, das müssen Sie meinen Kollegen fragen, der dort seine Flächen hat. Nur der kennt seine Flächen. Ich kenne die nicht, und die Unterschiede sind schon hier so gross, dass er unter Umständen andere Sorten nimmt.
Ich habe zum Beispiel – einmal auf Mais bezogen – der Normalbürger meint ja, Mais ist zwei Meter groß, hat Kolben und ist grün. Es gibt aber tausende unterschiedlicher Maissorten. Aus diesen tausenden Sorten muss ich mir die wenigen aussuchen, die für meinen Boden optimal sind, damit ich auch den optimalen Ertrag habe.
Dieser Boden hier ist sehr leicht und daher schnell erwärmbar. Ich brauche also eine Sorte, die das kann. Ich habe aber auch Flächen, die sich nicht so schnell erwärmen, weil es dort zum Beispiel höhere Wasserstände gibt. Die sind im Frühjahr ziemlich kalt. Wenn ich die wärme liebende Sorte auch dort anbauen würde, hätte ich dort 30 Prozent weniger Ertrag. Ich brauche also eine Sorte, die unter den dortigen Umständen besser wächst.
Das Geheimnis ihres Erfolges steckt also auch darin, dass Sie Ihre Böden genau kennen. Die Unterschiede können sehr beträchtlich sein selbst auf kleinen Flächen?
Ich hatte vor der Flurbereinigung sehr kleine Flächen; eine der Fläche, kleiner als ein Fußballfeld, fiel nach hinten ein wenig ab. Im vorderen Bereich war das ein leichterer Boden. Wenn es nicht viel geregnet hatte, dann vertrocknete das Getreide vorne. Im mittleren Teil wuchs es dann gut, weil dort genügend Wasser war. Und im hinteren unteren Teil ist das Getreide trotzdem abgesoffen, weil es dort immer zu viel Wasser gab.
Wir haben dann die Wasserführung geändert, damit der hintere Bereich nicht zu feucht ist. Im vorderen Bereich haben wir mehr Zwischenfrüchte angebaut, damit sich Humus bildet und das Wasser länger hält. Auf diese Art kann man einen sandigen Boden auf Dauer verbessern. Mit der Zeit und Erfahrung weiß man, wo man was machen muss. Das kann man aber nicht in einem Jahr erfahren. Das dauert 10, 15 sogar 20 Jahre, bis der Boden so ist, wie man ihn gerne hätte, damit er den optimalen Ertrag bringt.
Solange dauert also die Kulturleistung »Aufbau eines Ackerbodens«?
Es hat drei Generationen gedauert um das zu bekommen, was wir jetzt hier haben.
Wenn man es schafft, genügend Stickstoff in den Boden hineinzubekommen, was der Herr Hofreiter ja verhindern will, dann bedeutet das, dass sich Humus bildet und dieser sich weiter in Huminstoffe umwandelt und irgendwann auch mineralisiert. Das ist ein sehr langfristiger Vorgang. Bodenbildung kann man auch in Generationen nicht mehr ermessen. Aber wir sind dabei, das zu tun. Wir machen auf diesen Böden, die früher nicht beackert werden konnten, den Anfang. Im Augenblick werden wir aber daran gehindert, den Boden für zukünftige Generationen zu verbessern.
Die schauen dann in die Röhre?
Die schauen in die Röhre! Wenn diese Böden schlechter werden, kann ich sie nicht mehr bewirtschaften. Gerade bei diesen Böden, auf denen wir jetzt stehen, kann ich sagen, wenn wir noch weitere Einschränkungen bekommen und wenn noch weiter Tierbestände abgebaut werden, was ja gewollt ist, dann bedeutet das, dass solche Flächen nicht mehr bewirtschaftet werden können.
Noch etwas zum Mais: Wir haben ja zum Beispiel Bördegebiete, in denen wir Brotweizen anbauen können, wo es sehr hohe Erträge, sehr hohe Hektarleistungen gibt. Dann ist auch der Gewinn pro Hektar groß. Das können wir hier nicht. Wir können hier nur Futterweizen oder Futterroggen anbauen. Aber der Boden ist aufgrund seiner Struktur und aufgrund des hohen Sauerstoffgehaltes des Bodenwassers und des Bodens für den Maisanbau geeignet. Wenn ich das in Energie umrechnen, dann habe ich hier höhere Erträge als in den Börderegionen mit Brotweizen. Aber natürlich nur in den Jahren, in denen es auch regnet.
Zu wenig Regen im Mai/Juni – wir nennen das hier Frühsommertrockenheit – ist hier seit jeher sehr verbreitet. Das kann ich hier ein wenig eindämmen, indem ich Humus bilde. Der Humus hält das Wasser länger. Das kann man bei Flächen sehen, die entsprechend bewirtschaftet werden, und wo darauf Wert gelegt wurde, den Humusgehalt zu erhöhen. Die halten bei gleicher Frucht und gleicher Düngung länger als die Fläche daneben. Die eine Fläche zeigt bereits eine Woche eher Schäden durch die Trockenheit als die andere.
Es hängt also von vielen Faktoren teilweise auch vom Glück ab, wenn Sie eine gute Ernte heimfahren?
Ja. Erst einmal muss ich alles richtig machen. Einiges kann ich nicht richtig machen, weil ich nicht weiß, wie das Wetter wird. Ich habe eine bestimmte Ertragserwartung, nach der ich meine Maßnahmen ausrichte. Das Wetter kann ich nicht beeinflussen, das ist dann Glück. Wenn es zu wenig regnet, dann habe ich eben Pech gehabt, wenn es zu viel regnet, dann stehen meine besseren Flächen unter Wasser.
Das ist also kein Spiel für den Politikkommissar, der vom Schreibtischstuhl eines Ministeriums vorgibt, was dieses Jahr ausgebracht werden soll, wann geerntet werden soll. Worauf kommt es wirklich an?
Der hätte schon einmal 30 Prozent Minderertrag im ersten Jahr. Nur weil er auf seinem Sessel sitzt. Es gibt ein sehr großes Wissen im Bereich der Landwirtschaft, dieses Wissen ist lokal vorhanden, das ist diese Clusterstruktur. Gleich, ob Viehhaltung oder Ackerbau. Zum Beispiel gibt es Firmen, von denen ich Saatgut und Pflanzenschutzmittel kaufen kann. Diese haben Fachberater. Die Firmen haben ein Interesse daran, dass ich erfolgreich bin. Die werden mir nicht irgendetwas verkaufen, damit die nur Geld einnehmen, bei dem sie aber wissen, im nächsten Jahr sind die Bauern pleite, dann kann ich mit denen nichts mehr verdienen.
Also müssen die dafür sorgen, dass ich auch die richtigen Sorten bekommen. Ich kann die Leute anrufen; es gibt auch eine offizielle Beratung, das ist die Landwirtschaftskammer und natürlich gibt es Ausbildungen, Weiterbildungen und Schulungen. Aus all dem kann ich mir dann meine Meinung bilden. Letztendlich entscheiden muss ich. Das können die nicht für mich tun. Die kennen auch nicht meine Flächen. Die können nur empfehlen. Ich höre mir das an und entscheide nach meinen Bedingungen. Da ist ein sehr großes Vertrauensverhältnis und eine sehr hohe Professionalität vorhanden.
Das drückt sich ja auch in der Ernte aus, wo sie meist nur ein extrem kleines Zeitfenster aus Witterungsgründen haben. Eine Ernte mit vielen großen Landmaschinen, die wild über Straßen und Äcker fahren, ist in Wahrheit eine große konzertierte Aktion?
Jeder Landwirt hat zwar seinen eigenen Betrieb, aber wir haben nicht jeder diese großen Maschinen. Die Maschinen sind teilweise viel zu teuer. Jeder Betrieb entscheidet das für jede Maschine, rechnet sich das für meinen Betrieb oder kann ich das besser von einem Lohnunternehmer machen lassen, der ja auch sehr professionell arbeitet. Ich kann Ihnen sagen, diese Lohnunternehmen sind das Beste, was ich an Arbeitsleistung jemals erlebt habe. Die sind professionell, schnell, arbeiten lösungsorientiert, und die Mitarbeiter, die die haben, sind immer daran interessiert: Wie kann ich für den Landwirt das Beste tun?
Wie schauen die darauf, dass grüne Landwirtschaftfunktionäre Ihnen, den Landwirten, sagen wollen, wie es geht, und wie Sie es besser machen sollen?
Das ist nur noch Wahnsinn. Man kann gedanklich kaum verarbeiten, wenn jemand kommt, der überhaupt nicht weiß, was hier passiert, den Boden nicht kennt, noch nicht einmal weiß, ob es Weizen ist, oder ob es Kartoffeln sind, und der mir dann erzählen will, ich müsse irgendetwas tun, damit die Umwelt nicht so belastet wird. Der mir dann sagt, ich muss Humus bilden, wozu ich ja Stickstoff brauche, mir aber gleichzeitig sagt, Stickstoff darfst du nicht düngen, dann haben wir das böse Nitrat im Grundwasser. Der also noch nicht einmal den Zusammenhang von der Humusbildung mit Stickstoff kennt, und der die Ursachen von Nitrat im Grundwasser nicht begriffen hat.
Denn nicht der Stickstoff ist die Ursache für Nitrat im Grundwasser, sondern der Sauerstoffgehalt des Bodenwassers. Bei hohen Sauerstoffgehalten kann keine Denitrifikation stattfinden. Das Bodenleben kann den Stickstoff nicht in Luftstickstoff umsetzen, der dann gasförmig als N2 in die Atmosphäre entweicht.
Das haben wir gerade hier auf diesen leichten Böden. Die sind durchlässig, man kann auch sagen: Die sind inkontinent. Mit dem Wasser kommt auch der Sauerstoff nach unten. Das Bodenleben schafft es nicht, den Stoffwechsel so umzustellen, dass es von der Sauerstoffatmung auf die anaerobe Atmung umsteigt. Und Leute dies das nicht kapieren, haben die Lizenz, den Bauern Vorschriften machen zu können?
Wobei wir uns noch nicht darüber unterhalten haben, in welch geringen Dimensionen sich die Nitratwerte bewegen. Die spielen keine Rolle?
Richtig, es spielt eigentlich überhaupt keine Rolle, und es gibt ein paar Messstellen, wo leicht erhöhte Werte tatsächlich auftreten. Wird aber etwas tiefer im Grundwasser gemessen, gibt es auch dort kein Nitrat. Außerdem fließt auch das Grundwasser in Richtung Oberflächengewässer. Auf dem Weg dorthin wird das gesamte Nitrat abgebaut, angereichert wird nichts.
Einen Vorwurf muss ich den zuständigen Behörden machen: Man kann anhand von Langzeitmessungen feststellen, ob dieses Nitrat aus der Landwirtschaft oder aus anderen Quellen stammt. Bevor ich irgendetwas mache, muss ich doch erst einmal wissen: Wo kommt es her? Erst wenn ich weiß, das Nitrat kommt zum Beispiel aus der Landwirtschaft, kann ich Gegenmaßnahmen treffen. Ich kann meine Fruchtfolge insoweit umstellen, dass ich mit Zwischenfrüchten arbeite, damit ich im Winter eine geringere Auswaschung habe, eine andere Maßnahme wäre zum Beispiel Bewässerung während der Trockenphasen, damit keine hohe Mineralisation von Stickstoff stattfindet, der dann bei plötzlichem Regen nach unten geht. Im Grunde genommen ist das Thema „Nitrat aus der Landwirtschaft“ reine Panikmache, auch von Seiten der Behörden. Aber wir kommen nicht zu einer Lösung, weil meiner Meinung nach die Behörden ihre Arbeit nicht so machen, wie es der Bürger erwarten kann.
Dünger kostet ja Geld. Aus wirtschaftlichen Gründen müßten Sie doch eher sparsam damit umgehen, stelle ich mir vor?
Richtig. Der mineralische Dünger kostet Geld, und der organische Dünger, also die Gülle hauptsächlich, ist begrenzt. Das wissen die meisten Leute gar nicht. Es ist nicht so, dass ich im organischen Dünger schwimmen kann, sondern ich habe pro Hektar maximal 170 Kilo Stickstoff zur Verfügung. Den muss ich dann so einsetzen, dass es für meine Böden optimal ist. Wenn ich das nicht kann, wenn ich auf der einen Hälfte zu wenig dünge, heißt das Minderertrag und pro Hektar 200 Euro weniger.
Und umgekehrt auf der anderen Hälfte wäre der Dünger, der ja einen Wert hat, verschwendet. Es kommt noch der Mineraldünger dazu, der ja erst recht verschwendet ist, und der kostet. Das sind dann mit dem Ausbringen auch schon 70 Euro. Auf der Hälfte der Flächen hätte ich dann 200 Euro minus durch falsche Düngung, und auf der anderen Seite hätte ich 70 Euro zu hohe Kosten, weil ich zu viel Dünger ausgebracht habe.
Das mache ich drei Jahre, und dann mache ich meinen Betrieb dicht.