Eine Million Elektroautos sollten in diesem Jahr 2020 auf den Strassen fahren. Das hatte Bundeskanzlerin Merkel einst angeordnet. Die deutschen Autokäufer hielten sich nicht dran, sondern fuhren laut Kraftfahrtbundesamt zum 1. Januar 2020 nur 136.617 E-Autos. In diesem Jahr sind bis November 150 000 e-Autos zugelassen worden.
Gegenüber den knapp 48 Millionen Fahrzeugen insgesamt noch ein verschwindend geringer Anteil. Das soll sich ändern.
Bundesverkehrsminister Scheuer gelobte im Dezember 2020: »2021 soll das Jahr der Elektromobilität werden!« Bei einem jüngsten Spitzengespräch »Ladeinfrastruktur«, bei dem neben Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Verkehrsminister Andreas Scheuer auch Vertreter der Energiewirtschaft sowie der Autowirtschaft anwesend waren, wurde beschlossen, dass das Ladenetz für Elektroautos »kundenfreundlicher« werden solle. Altmaier: »Realisieren der Verkehrswende ist eine große Gemeinschaftsanstrengung«.
Es gibt zwar seit einem Jahr einen »Masterplan Ladeinfrastruktur«, dieser Plan (ziemlich genderinkorrekt) war allerdings bisher nicht besonders nutzbringend. Deshalb soll eine weitere Verordnung vorbereitet werden, eine Novelle zur Ladesäulenverordnung, mit der eine bessere Ladeinfrastruktur angestrebt wird. Bis 2030 sollen eine Million Ladepunkte errichtet werden. Um das zu erreichen, müsste das Ausbautempo drastisch erhöht werden: Rein rechnerisch sollten laut Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), 2000 neue pro Woche stehen, es sind allerdings nur 200.
Derzeit stehen Elektroautomobilisten erst 33 000 Ladepunkte in Deutschland zur Verfügung. Nicht besonders viel, vor allem, da Elektroautos je nach Ladeleistung teilweise mehrere Stunden die Ladepunkte blockieren.
Als offene Punkte hat Altmaier ausgemacht: »Das eine ist die Notwendigkeit, ein einheitliches Bezahlsystem zu etablieren das modern und fortschrittlich ist, leicht zu handhaben, nutzerfreundlich und auch grenzüberschreitend anwesend ist.«
Auch hier soll mit einer entsprechenden Verordnung nachgeholfen werden. Und mit reichlich Steuergeld. Dann solle mit 400 Millionen Euro eine öffentliche, mit 350 Millionen Euro eine gewerbliche Ladeinfrastruktur bezuschusst werden, betonte Altmaier zufrieden. Für jede Wallbox gibt es seit November 900 Euro; diese Anschlussgeräte erlauben mit Drehstrom etwas höhere Ladeleistungen für e-Autos in der heimischen Garage.
Neben so viel Freizügigkeit will auch Scheuer nicht zurückstehen. Sein Programm: In jedem Dorf eine Ladesäule! Und Finanzminister Scholz will auch bestimmen: »Notfalls müssen wir die Ladestationen vorschreiben.« Unter anderem sollen Tankstellen dazu verdonnert werden, Ladesäulen aufzubauen.
An Schnellladestationen kann der Akku in rund 20 Minuten zu etwa 80 Prozent aufgeladen werden, das reicht für ein paar hundert Kilometer; die derzeit kalte Jahreszeit nagt an der Kapazität der Batterien und begrenzt die Reichweite erheblich. Einmal vollladen dauert dagegen länger, denn für die restlichen 20 Prozent Ladung vermindert die Ladeleistungselektronik den Strom, um die Batterie zu schonen.
Laden und Entladen ist nichts anderes als eine chemische Reaktion, bei der die Temperatur eine wesentliche Rolle spielt. Hauptproblem bei einer Schnellladung ist die hohe Wärmeentwicklung. Die Batterie darf im Inneren nicht zu heiß werden, sie muss stark gekühlt werden und im Zweifel wird der Ladestrom verringert.
Bei sehr hohen Ladeströmen, wie sie angepeilt werden, muss sogar das Stromkabel gekühlt werden. Als Norm gilt, dass anfassbare Teile nicht heisser als 60 Grad werden sollen. Stecker können schonmal 90 Grad erreichen. Das bedeutet recht ansehnliche Verluste, die in Form von Wärme allein beim Laden auftreten. Energien, die natürlich ebenso produziert und an die Ladesäule geführt werden müssen. Porsche erprobt eine Ladestation mit satten 800 Volt, um seinen Taycan in 20 Minuten vollladen zu können. Nicht bekannt ist, ob dort gleichzeitig Spiegeleier zubereitet werden können.
Porsche und BMW haben ein Industriekonsortium gegründet und »FastCharge« gestartet, um eine »Ultra-Schnellladetechnologie«, wie es bei BMW heißt, zu entwickeln. Bei sagenhaften 450 kW Ladeleistung bei einer Spannung von bis zu 920 Volt soll ein BMW i3 mit einer 57 kWh Hochvoltbatterie in 15 Minuten geladen sein. Die Ladekabel werden mit einem Wasser-Glykol-Gemisch gekühlt. Nicht ganz einfach, die Ladekabel zu konstruieren, wobei die Kühlschläuche um die Stromkabel nicht gequetscht werden dürfen.
Anspruchsvoll ist auch der Ladevorgang selbst, bei dem zuerst die Temperatur der Batterie beim Ladestart auf bestimmte Werte eingeregelt werden, dann die Temperatur während des Ladevorganges überwacht und die Leistung angepasst werden muss. Im Fahrzeug selbst ist eine kleine Umspannstation mit Hochvolt-Gleichstromwandlern untergebracht, die die 800 Volt Eingangsspannung auf die 400 Volt Systemspannung des i3 heruntertransformieren. Das Porsche Forschungsfahrzeug mit einer Nettokapazität von 90 kWh, so heisst es, soll in drei Minuten die Energie für 100 km Reichweite laden können.
https://www.press.bmwgroup.com/deutschland/article/detail/T0288583DE/forschungsprojekt-„fastcharge:-ultra-schnellladetechnologie-bereit-fuer-die-elektrofahrzeuge-der-zukunft?language=de
Ziemlich eng dürfte es an Tankstellen der Zukunft zugehen, wenn sie von mehr Elektroautos angefahren werden. Heute geht das Auffüllen des Energiespeichers schnell und einfach: 50, 60 Liter Diesel oder Benzin in wenigen Minuten getankt reichen je nach Automodell für 800, 900 Kilometer.
Beim Elektroauto sieht es anders aus. Die Ladesäulenbetreiber dürften mehrere Möglichkeiten anbieten: Bei niedrigen Ladeleistungen für wenig Geld gut vier Stunden Warten, bis der Akku voll ist oder für teures Geld einmal Schnellladen, das ginge in etwa 30 Minuten. Gut, nicht jeder wird sein Auto an einem Tag komplett leer fahren und muss es täglich vollladen lassen. Dennoch stehen die Autos viel länger an der Lade- als an der Zapfsäule, benötigen deutlich länger den Platz.
Ein Ladesäulentest des ADAC ergab vor kurzem: Strom kann bereits jetzt teuer werden, die Abrechnungsarten der vielen Anbieter unterschieden sich sehr und die Kosten einer Kilowattstunde seien oft unklar. Zudem seien die Zähler meist nicht geeicht, weil derzeit nur an wenigen Ladesäulen die erforderliche Technik eingebaut werden könne.
https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/elektromobilitaet/laden/elektroauto-ladesaeulen-strompreise/
Zweifel darf man haben, ob Berlin das mit dem Strom so richtig verstanden hat. In all den vielen Masterplänen, Verordnungen und Verpflichtungen, ohne die es mit den e-Autos nicht so recht klappen will, wird eines nicht gesagt und übersehen: Sollen Ladesäulen nicht nur Potemkinsche Dörfer bleiben, sondern sogar richtig Strom dann liefern können, wenn der e-Automobilist ihn benötigt, dann reichen nicht nur schick designte Ladesäulen und nette Apps, sondern dicke, fette Kabel müssen durch Stadt und Land gezogen werden. Ohne massive Großbaustellen geht nicht viel, sollen die Netze für die e-Mobilität ertüchtigt werden. Das Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik der Technischen Universität Wien hat 2012 überschlagen, dass der durchschnittliche Energiebedarf eines typischen Elektro-Automobils mit einer jährlichen Fahrleistung von 15.000 Kilometer pro Jahr bei 25,5 kWh pro 100 Kilometer liegt. Dazu kommen noch die Leitungsverluste vom Kraftwerk bis zur Ladestation sowie die Verluste beim Ladevorgang von durchaus 20, 25 Prozent, die beim Stromtanken gewissermassen »verkleckert« werden. Energiemengen, die ebenfalls produziert werden müssen und dem Verbrauch der e-Autos zugerechnet werden müssen. Dann reichen die schöngerechneten durchschnittlichen 15 bis 20 kWh nicht mehr.
Der Ingenieur Fred F. Mueller kam in seiner Überschlagsrechnung auf einen Verbrauch eines e-Autos von 36 kWh auf 100 Kilometer: „Für die komplette Umstellung der deutschen Pkw-Flotte ergibt sich demnach bei Annahme ansonsten konstanter Verhältnisse ein Gesamtbedarf an elektrischer Energie ab Kraftwerk von 231 Terawattstunden (TWh) pro Jahr.“
2018 hat Deutschland insgesamt 556 TWh Strom verbraucht.
Allerdings soll gleichzeitig, so hat sich die Bundesregierung einst festgelegt, der Bruttostromverbrauch von 2008 bis 2050 um rund 25 Prozent vermindert werden. Da fehlt also noch was: Kraftwerke. Irgendwo sollte der Strom erzeugt werden. Windräder und Photovoltaik-Anlagen sind nicht annähernd in der Lage, Deutschland ausreichend mit Strom zu versorgen. Für Elektroautos dürfte nicht mehr viel übrig bleiben. Zur Zeit kämen sie ohnehin keinen Kilometer mehr weit: Kein Wind, kaum Sonne, ohne konventionelle Kohle- oder Kernkraftwerke ginge nichts mehr. Energie hat bekanntlich keine Masse, kann also nicht in nennenswertem Umfang gespeichert, sondern muss in genau dem Augenblick erzeugt werden, in dem sie gebraucht wird.
Wenn nicht genügend Strom generiert werden kann, muss er eben rationiert werden. Das klingt zugegebenermassen nicht so zukunftsträchtig, wird deswegen mit dem Begriff »intelligent« verbrämt. Die „intelligenten“ Stromnetze sollen ausgleichen, was nicht vorhanden ist.
Martin Konermann, technischer Geschäftsführer der Netze BW: »Mit einem intelligenten Lademanagement sind wir als Netzbetreiber in der Lage, Engpässe abzufedern, ohne dass die Kunden nennenswerte Komforteinbußen haben.« Verteilnetzbetreiber müssten den erwarteten Hochlauf der E-Mobilität in typischen Wohngebieten jedoch nicht fürchten, meint er und stützt sich auf ein Forschungsprojekts »E-Mobility-Allee«. Das habe ergeben, dass alles funktioniert.
Wenn die e-Autos dennoch mit leeren Akkus stillstehen, wars eben nicht intelligent genug. Es ist wie beim Sozialismus: Bisher war es nicht der richtige, weil schlecht gemacht. Das nächste Mal also besser.
Die Nationale Plattform Elektromobilität hat einen »Technischen Leitfaden Ladeinfrastruktur« hervorgebracht, der in einfacher Sprache (»Das Laden an einer nicht geeigneten Elektroinstallation kann gefährlich sein ... Hier gilt es Überlastungen und damit das Risiko von Bränden oder die Beeinträchtigung der Funktion vorhandener Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen zu vermeiden.«) Binsenweisheiten verbreitet und in Hohlsätzen sowie leeren Begriffen wie »Vorreiterrolle Deutschlands in der Elektromobilität im weltweiten Wettbewerb« weiter ausbauen aufgeht.
Der Leitfaden kommt tatsächlich zum Schluss: »Es kann durchaus notwendig werden, für die Versorgung der Elektrofahrzeuge den Hausanschluss zu verstärken oder eine separate Zuleitung / Hausanschluss für die Elektrofahrzeuge zu installieren.«
Kann dem Hausanschluss bis zu einem Tag oder einer Nacht lang ein hoher Ladestrom entnommen werden, ohne dass die Leitungen zu glühen anfangen?
Wallboxen bieten Leistungen immerhin bis zu 44 kW und damit in etwa einer Stunde Strom für rund 100 Kilometer. Die muss der Stromanbieter genehmigen; der prüft vorher, ob genügend Strom geliefert werden kann. In einer Siedlung gerät das Niederspannungsnetz schnell an seine Grenzen, wenn viele E-Autos laden wollen. Noch lassen die Planer der Verkehrswende Ideen vermissen, wie in großen Siedlungen und Plattenbauten an Laternen parkende e-Autos »getankt« werden können.
»Alternativ oder ergänzend zu einer Verstärkung des Hausanschlusses kann ein sogenanntes Lastmanagement eingesetzt werden«, steht im nationalen ‚Leidfaden‘.
Das neue knuffige Zauberwort der E-Werke heisst »Spitzenglättung«. Auf deutsch: Strom abschalten. Die Stromversorger wollen ein Gesetz, nach dem sie den Strom einfach abschalten können, wenn keiner mehr da ist, aber dummerweise viele Autofahrer gleichzeitig laden wollen. Daher drängen sie auf eine sogenannte »Spitzenglättung«. Damit umschreiben sie vornehm, dass häufig kein Strom mehr da ist, um Elektroautos laden zu können. Diese Verbrauchsspitzen nachts, wenn die E-Autofahrer ihre Wagen laden wollen, sollen verhindert werden – durch Abschalten der e-Autos. Diese Lösung favorisiert auch das eilige Altmaier-Ministerium und will noch in diesem Jahr einen entsprechenden Vorschlag zur Reform des $ 14 a des Energiewirtschaftsgesetzes vorlegen.
Die Stromversorger glätten also nachts ihre »Spitzen, die E-Autofahrer haben am nächsten Morgen leere Akkus.
Kritisch könnte es angesichts der steigenden Anschlüsse von Wärmepumpen werden. Die schiessen aufgrund großzügiger staatlicher Alimentierung wie Pilze aus dem Boden und können schonmal 12 bis 14 kW Leistung aufweisen. Sie dürften ebenfalls nachts laufen, wenn Häuser und Wohnungen geheizt werden wollen. Für diese erheblichen Stromfresser sind vor allem die Niederspannungsnetze nicht ausgelegt. Es dürfte darin also eng werden. Frieren oder Fahren – das heisst wohl die Frage der Zukunft.
Begleiterscheinungen bei der Rückkehr einer Industriegesellschaft zu einer mittelalterlichen Energieversorgung. Bei Flaute läuft nix.
Es sei etwas los, meinte Minister Altmaier: „Es passiert richtig viel. Und wir haben uns beide, der Andreas Scheuer und ich, zum Ziel gesetzt, dass wir jetzt, in diesen Wochen und Monaten, die Weichen dafür stellen, dass der Hochlauf der Elektromobilität, so wie das im Klimaplan vorgesehen ist, gelingen kann. Dazu brauchen wir Entscheidungen, die ineinandergreifen. Es muss sichergestellt werden, dass die Bezahlsysteme der Ladesäulen so sind, dass man auch einen Urlaub mit Elektroauto überall in Europa verbringen kann, ohne dass Probleme entstehen. Das alles ist bei uns politisch auf dem Schirm, und wir werden mit dem heutigen Tag das Thema Ladesäuleninfrastruktur mit dem politischen notwendigen Nachdruck voranbringen.« hat er begeistert ausgeführt.
Ach, halt, Stopp: Das war ein Zitat von Altmaier – allerdings vom 13. Dezember 2019, also vor genau einem Jahr. Gleicher Anlass.
Alle Jahre wieder …