Es sollte alles besser werden, grüner, umweltfreundlicher, die Schäden, die durch Verbauungen von Flüssen und Bächen angeblich angerichtet wurden, sollten wieder rückgängig gemacht werden. Doch erreicht wurde das Gegenteil.
Fischtreppen müsste ihr haben, Fischtreppen! Teure Programme wurden aufgelegt, um Fischen das Wandern in vielen Bächen und Flüssen vorbei an Staustufen und Wasserkraftwerken zu ermöglichen.
»Zurück zur Natur« heißt der Schlachtruf vorwiegend grüner Städtetag, Städter, die natürlich genau wissen, wie Natur sich abspielt und entsprechend handeln wollen. »Renaturierung« heißt das Zauberwort, das die Steuertöpfe öffnet.
Zum Beispiel den Flüssen einen wieder einen natürlicheren Fluss zu ermöglichen. Also weg mit Stauwehre und Staustufen, die dem Wasser und vor allem den niedlichen Fischen im Wege standen. An der Ahr – ja, gerade dort – wurden Stauwehre wieder zurückgebaut. Die hatten die Menschen in den Tälern, die schon immer von Hochwassern geplagt waren, errichtet, damit das Wasser nicht mehr so schnell abfließt und vor allem bei kräftigen Regenfällen und Sturzbächen nicht mehr so viel Schäden anrichtet.
»Lachs 2000« hieß das Förderprogramm tatsächlich, das so prächtig die Beteiligten ernährte, dass es nach Ablaufen als »Lachs 2020« fortgesetzt wird. Erste Erfolgsmeldungen wurden 1999 verkündet: »Erste Lachslaichgruben in Ahr und Saynbach«.
Also weg mit den Stauwehren. Eine Folge: Die außergewöhnlich hohen Regenmassen konnten jetzt ungehindert zu Tal schießen und mit ihrer ungeheuren Kraft alles mitreißen, was im Wege stand.
Wie so häufig: Grünes, angeblich umweltschützerisches Handeln schlug in genau das Gegenteil um. In tatsächlich sogenannter »unberührter« Natur hätten andernfalls Biber in der Ahr, ihren Nebenflüssen und in vielen anderen Wasserläufen das getan, was ihre »Arbeit« ist, nämlich Bäume an Ufern anzufressen, umzulegen und so Staustufen zu bilden, in denen sie dann prächtig ihre Höhlen anlegen können.
»Gewässerökologen« wie Gottfried Lehr forderten mehr Flachwasserzonen und den Abbau aller Stauwehre, die »nicht unbedingt notwendig« seien.
Auch für den Rhein nährt ein »Masterplan Wanderfische Rhein« viele Arbeitskräfte, die unter anderem dem Lachs wieder ein ungehindertes Wandern rheinaufwärts ermöglichen sollen.
Über grünem Wahn geriet der Katastrophenschutz immer mehr ins Hintertreffen und jetzt nach dem Hochwasser in die Kritik. Von einem »tödlichen Versagen des Katastrophenschutzes« spricht »Bild« in seiner Printausgabe und berichtet, dass in einigen Orten an Mosel und Ahr, in Eifel und Sauerland die Sirenen nicht heulten. So wurden Tausende von den Wassermassen überrascht. Bild befragt den Chef des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Armin Schuster (CDU): »Die Einsatzleitung obliegt bei solchen Katastrophen den betroffenen Ländern. Vor Ort liegt die Verantwortung bei den Landratsämtern.« Schuster: »Wie wirkungsvoll im Katastrophengebiet Sirenen und Lautsprecherdurchsagen zum Einsatz kamen, kann das Bundesamt zum jetzigen Zeitpunkt nicht bewerten.«
Aus der Sicht von Armin Schuster sind die Toten offenbar selbst schuld, sie hätten vorsichtiger sein müssen. Bild zitiert Schuster weiter: »Einige Opfer haben die Gefahr unterschätzt und zwei Grundregeln bei Starkregen nicht beachtet: 1. bei Wassereintritt Kellerräume meiden, 2. sofort Strom abschalten.«
Sogar das Europäische Hochwasserwarnsystem (EFAS) hatte bereits zu Wochenbeginn eine »extreme Flutwarnung« für die Region herausgegeben. Die hohen Todeszahlen sind für die Hydrologin Professorin Hannah Cloke von der renommierten britischen Uni Reading ein »erhebliches Versagen des Systems«.
Das wundert nicht sehr: Das Bundesamt für Katastrophenschutz hat es im vergangenen Jahr nicht einmal fertig gebracht, alle Warnsirenen heulen zu lassen. Am 10. September 2020 sollte ein »Warntag« ablaufen: funktioniert hat nichts. Das Bundesinnenministerium bezeichnete denn auch den Tag als Fehlschlag, der Chef des Amtes musste gehen. Der Neue kann es offenbar auch nicht. Viele Katastrophenhelfer berichten aus den Überschwemmungsgebieten, dass sie nach langer Wartezeit unverrichteter Dinge wieder abziehen mussten, weil es keine Koordination des Einsatzes gegeben habe.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Marie-Luise Dreyer bekundete auf ihrer Tour durch das Katastrophengebiet: »Das ist ein Horror, da kann man eigentlich nur weinen!«
Vielleicht ist ein Blick auf den Wasserbauingenieur Johann Gottfried Tulla »hilfreich«, jenen Bändiger des Rheins, der die Pläne zur Begradigung von Deutschlands wichtigstem Fluss entwarf. Ein Ingenieur, gründlich in Mathematik, Mechanik und Hydraulik ausgebildet und gewohnt, streng naturwissenschaftlich zu denken, das Gehirn nicht mit Genderunsinn versülzt.
Er sammelte in zahlreichen Ausbildungsreisen Erfahrungen und Wissen an, das in vielen Orten von Wissenschaftlern gesammelt wurden, unter anderem in Holland, wo er Wasserbauten eingehend studierte und in Hamburg an Stromgeschwindigkeitsmessungen teilnahm. Er war also mit seinem Wissen auf der Höhe seiner Zeit, bevor er sich an das Jahrhundertprojekt wagte. Das begann ab 1817 und dauerte rund 70 Jahre bis zu seiner Vollendung.
Bis dahin versetzte der Rhein die Bewohner der oberrheinischen Tiefebene in Angst und Schrecken, kostete mit seinen regelmäßig wiederkehrenden Hochwassern Tausende von Menschen das Leben. Dies, obwohl man schon früher »den Rhein=Ufer=Bewohner gegen die Zerstörungen und Ueberschwemmungen des Rheins zu schützen« suchte, schreibt Tulla in seiner »Rektifikation des Rheins« und fährt fort: »Die Geschichte des Rheinbaues beweißt aber, daß die ergriffenen Maasregeln, keine Resultate lieferten, welche mit den Verwendungen in einem ganz günstigen Verhältnis stand.«
»Der Rheinbau stieg und mußte notwendig steigen, weil die Bevölkerung und mit ihr die Kultur zunahm und die Uebel empfindlicher wurden ... Der größte Theil des Rheinlaufes blieb veränderlich; es mussten Orte versetzt, Dämme zurückgelegt und öfters die besten Felder dem Strome preisgegeben werden.«
»Die Erfahrungen in frühern Zeiten und in der jüngsten Zeit, haben bewiesen, daß die Sicherungs=Anstalten gegen Ueberschwemmungen, nämlich die Dämme, unzureichend waren, ohnerachtet solche von Zeit zu Zeit erhöht und verstärkt wurden und daß, im Verhältniß der Erhöhung des Wasserstandes des Rheins, auch die Quellwasser im eingedeichten Land zunahmen, daß ihre schädliche Wirkungen vergrößert und die Versumpfungen bedeutender wurden.«
Der Fluss mäanderte von Basel bis Bingen, die Wasserflächen in den Auwäldern boten Mücken ideale Brutbedingungen, die Malaria forderte viele Opfer.
Die Rheinbegradigung schuf eine sehr fruchtbare Ebene, in der Menschen heute einigermaßen sicher und in Wohlstand leben können, sogar Fabriken in Gebieten errichten konnten, die früher regelmäßig überschwemmt und zerstört wurden. Heute beklagen »Natur- und Umweltschützer« heftig die angeblichen ökologischen Schäden der Urbarmachung.
»Um die Stadt Rastatt von den schädlichen Überschwemmungen zu befreyen, ließ der unvergessliche Regent Carl Friedrich zu Anfang der 1780er Jahre, der Murg, vermittelst eines Kanals, einen regelmäßigen Lauf bis zum Rhein anweisen und die Stadt Rastatt blieb bisher ... von allen Ueberschwemmungen befreyt.«
Der Rhein wurde durch die Begradigung etwa 80 km kürzer, seitdem konnten Schiffe von Basel bis Rotterdam den Rhein befahren, neue Städte mit Häfen wie Ludwigshafen entstanden und blühten auf. Ebenso wurde die Stadt Mannheim in den 1790er Jahren von der Hochwassergefahr befreit, als Kurfürst Carl Theodor den unteren Lauf des Neckars »vermittelst Durchschnitten, einen gerade Lauf« anwies.
Tulla rechnete auch genau die Flächengewinne durch die Reinbegradigung und den Mehrertrag aus, der durch die landwirtschaftliche Nutzung entstand und stellte sie den Kosten der regelmäßigen Zerstörungen gegenüber. »Der reine Mehrertrag dieses Geländes kann, vorgenommenen Taxationen zu Folge, im Mittel, jährlich zu 4 Gulden per Morgen und daher der reine Mehr=Ertrag von 110000 Morgen zu 440000 Gulden in jedem Jahr angenommen werden. Ein jährlicher reiner Ertrag von 440000 Gulden, ist, wenn 5 pCt. Zinse gerechnet werden, den Zinsen eines Kapitals von 8800000 Gulden gleich.«
»Der Schaden, welchen die Rheinuferbewohner in den Jahren 1816-1820 erlitten, betrug: In dem Landamt Karlsruhe 468490 fl., in dem Amt Philippsburg 178064 fl., zusammen 646554 fl.«
Er verglich übrigens die Kosten für den Fall, dass der Rhein nicht begradigt werden würde mit denen einer Begradigung. Eine Art Modellrechnung, die gegenüber den heutigen Klimamodellen und den Berechnungen von Tausenden von vorzeitigen Toten durch die angebliche Verschmutzung in den Innenstädten den Vorzug hat, dass sie auf realen Zahlen und handfesten Messungen beruhten.
Tulla bereiste jede Ecke des Rheins, ebenso wie er dies übrigens mit Bächen und Flüssen des Schwarzwaldes getan hat, für die er ebenfalls zuständig war. Zusätzlich zu seinem eher mageren Gehalt standen ihm dafür Pferdefouragen zu, Hafer, Heu und Stroh für sein Pferd, mit dem er seine »Dienstreisen« zu allen Gewässern unternahm. Er machte dabei auch ausführliche Messungen über Wassermengen und Fliessgeschwindigkeiten. Dabei holte er sich rheumatische Erkrankungen, starb schließlich in Paris nach einer Blasensteinoperation.